Aussitzen oder Durcharbeiten?

Psychoanalyse und Vipassana-Meditation im Dialog über den Umgang mit Hindernissen und Widerständen

Aussitzen oder Durcharbeiten?

Wie gehen Sie mit Hindernissen und Widerständen um?

Ich bin Psychoanalytiker. Durcharbeiten gehört zu meinem Beruf.
Und ich praktiziere täglich Vipassana-Meditation und achtsames Handeln.

Vipassana heißt Einsicht.
Diese Einsicht entsteht, indem ich meditierend wahrnehme, was ist, und wie es „wirklich“ ist.

Die Hindernisse, die ich dabei spüre, gehören dazu.

• Gedanken, die mich beunruhigen.
• Gefühle, die plötzlich auftreten und mich in Beschlag nehmen.
• Schmerzen, die mich daran hindern, ruhig sitzenzubleiben.

Ich versuche nicht, sie beiseite zu schieben.
Stattdessen versuche ich, sie das sein zu lassen, was sie sind, ohne ihnen sonderlich viel Raum zu geben, nachzuhängen oder entgegenzutreten.

Ich „sitze sie aus“.

Psychoanalyse arbeitet mit dem Zugang zum Unbewussten.
Was unbewusst ist, soll bewusst werden.

Dabei entstehen Widerstände. Durcharbeiten heißt, auf diese Widerstände einzugehen und ihren Zusammenhang zu erkennen.

Sie lösen sich auf, wenn sie nicht mehr notwendig sind. Das geschieht in der analytischen Situation als Teil einer Beziehungserfahrung, die dafür den nötigen Halt bietet, die Offenheit der „aufnehmenden Qualität“ des analytischen Feldes.
So lassen sich auch unangenehme Dinge erforschen, wenn die Konfrontation nicht zu beängstigend oder beschämend ist.

Darin erkenne ich eine unterschiedliche Bewegung, aber die Haltung ist ähnlich.

• Aus Abwehrmechanismen werden Bewältigungsmechanismen, die eine wichtige Funktion haben, bis diese Funktion sich verändern und transformiert werden kann.
• Aus störenden Gedanken werden „Gedanken als Gedanken“ und „Gefühlsqualitäten“ die „angenehm, unangenehm oder neutral“ sein können. Sie kommen, bleiben einen Moment und vergehen.

Das ist im Alltag schwerer zu realisieren als in der therapeutischen Situation oder in der Meditation.

Bei beidem handelt es sich jedoch um Übungsräume, in denen günstige Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um Erfahrungen zu ermöglichen, ohne reaktiv handeln zu müssen.

Eine Gemeinsamkeit von Psychoanalyse und buddhistischer Psychologie:
Das Betrachten, die kontemplative Haltung, spielt bei beiden eine große Rolle.

➡️ Was unbewusst ist, wird bewusst.
Das ist Bewusstseins-Praxis à la Psychoanalyse.

➡️ Was da ist, wird wahrgenommen, ohne zu bewerten.
Das ist Bewusstseins-Praxis à la buddhistische Psychologie.

Beides können sehr bewegende Erfahrungen sein. Darin liegt ihre transformative Kraft.

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