Ich lese gerade über das Arbeitsethos des Zen-Buddhismus.
Die amerikanische Zen-Meisterin Roshi Joan Halifax schreibt darüber in ihrem Buch „Gratwanderung“ und meint, wie hilfreich eine gute Tätigkeit für uns selbst und die Welt ist.
Dabei geht es um eine mit aller Aufmerksamkeit und einer wachen, offenen Haltung verrichtete Tätigkeit, die uns und der Welt Energie gibt.
Aber sie schreibt auch davon, wie wichtig es ist, zur Ruhe zu kommen. In der Zen-Meditation treffen sich Ruhe und die wache, offene Haltung. Auch im Schlaf sammeln wir unsere Kraft.
Und in einer mit Achtsamkeit verrichteten Tätigkeit, die uns eine Herzensangelegenheit ist.
Die Kunst besteht darin, das Ganze in ein gutes Verhältnis zueinander zu kriegen. Mich beschäftigt dabei, welche Auswirkungen die Werte haben, mit denen ich erzogen wurde. Das ist das zentrale, wiederkehrende Thema auch in meinen psychotherapeutischen Behandlungen und in den Supervisionen mit Menschen im Gesundheitswesen.
Ob Leistungsorientierung, Schuldgefühle oder Scham, allesamt sind diese Werte und die daraus entstandenen Gefühle ja sehr mächtig und können uns ein Leben lang in Schach halten, wenn wir Angst haben, uns gegen diese uns vermittelten Werte zu wenden, und unserem Leben eine eigene, an anderen Werten orientierte Ausrichtung zu geben.
In unserer Zeit, in unserer Zivilisation, wird das Sitzen und Nichtstun entweder als Luxus oder als Zeitverschwendung angesehen. Aber Sitzen kann die nährendste Ruhe und Freude hervorbringen, und wir alle können uns etwas Zeit zum Sitzen leisten. Wie wunderbar, zu sitzen und nichts zu tun.
Thich Nhat Hanh, How To Sit (2014)
Mir ist das (fast) tägliche Sitzen seit über zwei Jahren zu einer wesentlichen Gewohnheit im Alltag geworden. Aktuell sitze ich morgens mit den aufgezeichneten Morgenmeditationen von Vipassana-Jetzt und lerne so die Vipassana-Meditation kennen. Vor einiger Zeit habe ich zwei Einführungskurse in diese Art der Meditation absolviert, die mich in jeweils 21 Meditationen per Video oder Audio in Einsichts-Meditation angeleitet haben. Ich empfand das als einen sehr hilfreichen Einstieg, zumal ich mir vorher nie so richtig das Besondere der Vipassana-Tradition vorstellen konnte. Adriaan van Wagensveld, der Autor dieser Kurse, hat früher bei Thich Nhat Hanh in seiner Zen-Tradition praktiziert, und leitet die Morgenmeditationen, mit denen ich aktuell meine Sitz-Zeiten ausübe.
Dann – nach dem Schreiben meiner Morgenseiten und der anschließenden Meditation – beginnt mein Arbeitstag in der psychotherapeutischen Praxis, und ich fühle mich auch nach 16 Jahren regelmäßiger Arbeit mit 6-9 Patient:innen pro Arbeitstag neugierig, interessiert zuhörend und genau an der richtigen Stelle, um mit meiner Tätigkeit als Psychoanalytiker eine Herzensangelegenheit ausüben zu können.
1 Gedanke zu „Zur Ruhe kommen. Nichts tun“