Ich arbeite als Psychotherapeut nur mit Techniken, Mitteln und Verfahren, die ich in meiner Selbsterfahrung kennengelernt habe. Dadurch habe ich ein ganz eigenes Gefühl dafür, kann mich besser hineinversetzen darin, wie es sich für meine Patient*innen anfühlt. Es entsteht ein durch die Selbsterfahrung gebildeter, eigener Resonanzraum, den ich für meine therapeutische Tätigkeit nutzen kann, und nicht missen möchte. Ich schätze den Stellenwert der Selbsterfahrung in der Psychotherapie darum auch für die Wirksamkeit meiner Behandlungen sehr hoch ein.
„Du kannst der Sache der Transformation und der Heilung nur dienen, wenn du Transformation und Heilung in dir selbst praktiziert hast. Du kannst der Sache des Friedens nur dienen, wenn du in dir selbst Frieden hast. So einfach ist das.“
Thich Nhat Hanh, Peace Is This Moment
Manchmal führt das auch dazu, dass ich „noch nicht soweit bin“, um bestimmte Herangehensweisen einzusetzen oder Verfahren zu nutzen, die ich im Prinzip für geeignet und vielversprechend halte, aber hinsichtlich ihrer Wirkung noch nicht so gut einschätzen kann. Was mir dazu noch fehlt? Die eingehende Selbsterfahrung.
So verhält es sich im Moment auch mit den Achtsamkeitsverfahren und dem Bewusstseinstraining aus der buddhistischen Psychologie. Ich weiß aus der Forschung, dass es wirkt, möchte mich jedoch noch eingehender selbst davon überzeugen. Dabei stelle ich fest, dass es hier eine für diese Bedürfnisse ideale Form der Forschung gibt, die in den westlichen Studiendesigns meines Wissens nicht vorgesehen ist:
Meditation.
Diese Forschungsmethode nutze ich zur Zeit intensiv, um Erfahrung zu sammeln mit selbst praktizierter Achtsamkeit. Sie beruht auf einem anderen Studiendesign: der Subjekt-Subjekt-Achse. Während ich aus der Uni die Subjekt-Objekt-Forschungsperspektive kenne und die meisten Studiendesigns bis hin zur teilnehmenden Beobachtung auch aus eigener Anschauung kennengelernt habe, ist die Erforschung des Subjekts in sich selbst eine für mich relativ neue Angelegenheit.
Vertraut ist mir die Selbstanalyse aus meiner Lehranalyse. Diese Selbsterfahrung findet im gemeinsamen Lernraum der Beziehung zwischen Analytiker*in und Analysand*in statt. Es scheint, als wenn es sich dabei um eine Art Brücke zwischen der universitären Forschung und dem handeln würde, was ich gerade in der Meditation kennenlerne.
Diese Vorgehensweise (erst Selbsterfahrung, dann Einsatz in Behandlungen) wird bei allen seriösen Aus- und Weiterbildungen verlangt, bevor man sich intensiver in der Praxis mit der Nutzung von Achtsamkeit in Psychotherapien beschäftigt.
Dabei bin ich schon so weit fortgeschritten, dass ich Achtsamkeit als Haltung einsetze, jetzt jedoch einen nächsten Schritt tun will. Ich möchte mich mit ähnlich ambitionierten Kolleg*innen über ihre Erfahrungen austauschen und vielleicht auch gemeinsam Meditation praktizieren.
Teil dieses „Schritts“ ist das Projekt meiner Website, auf der Sie diesen Beitrag lesen. Darüber hoffe ich zusätzlich, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die über meine veröffentlichten Inhalte neugierig geworden sind auf mein Vorhaben.
Daneben habe ich mich zu meinem ersten Schweige-Retreat mit Christiane Wolf, einer Meditationslehrerin aus Los Angeles, angemeldet. Ich meditiere seit einigen Wochen – wenn auch aktuell noch zeitversetzt und nicht „live online“ – mit einer Gruppe um den Kasseler Meditationslehrer Adriaan van Wagensveld. Und ich habe mich für die intensive Lernerfahrung eines Trainings zum Meditationslehrer für 2025 angemeldet, das von Tara Brach und Jack Kornfield und ihrem Team aus erfahrenen Lehrer*innen und Mentor*innen angeboten wird.
Ich bin sehr gespannt darauf, wohin die Reise geht, und freue mich über jeden Austausch mit Ihnen, wie Sie Ihren Weg zum Einsatz von Achtsamkeitstechniken in der Psychotherapie gefunden haben, welche Erfahrungen Sie dabei machen, und ob Sie einen ähnlichen Weg eingeschlagen haben wie ich, oder ganz anders an die Sache herangegangen sind?
1 Gedanke zu „Vom Stellenwert der Selbsterfahrung in der Psychotherapie“